Fotos: UEC - Union Européenne de Cyclisme Mit einem sehr guten Bauchgefühl reiste ich zusammen mit Schrittmacher Robert Buchmann an die Derny-Europameisterschaften nach Hannover, um die Schweiz an diesen Titelkämpfen so gut wie möglich zu repräsentieren.
Am Freitag mussten dann - aufgrund des sehr zahlreichen und hochkarätigen Starterfeldes - insgesamt drei Qualifikationsläufe über je 20km ausgefahren werden. Lediglich die drei Erstklassierten von jedem Lauf würden sich für das grosse Finale qualifizieren. Da ich mich sehr fit fühlte und mich auch sehr gut vorbereitet hatte, probierte ich mich trotz der vielen prominenten Mitbewerbern nicht all zu fest aus der Ruhe bringen zu lassen, denn ein Rennen muss ja immer zuerst gefahren werden, bevor ein Strich gezogen werden kann. Der Qualifikationslauf wurde dann - wie von uns nicht anders erwartet - vom allerersten Meter an mit einem enormen Tempo unter die Räder genommen. Auch der Motorenlärm der Dernys war sehr hochtourig, was die gefühlte Geschwindigkeit nochmals bestätigte. Zu meinem Vorteil hatte ich – wie schon im Training und auch bei allen Derny-Wettbewerben in dieser Saison – einen ziemlich dicken Gang montiert, mit welchem ich die angeschlagene Pace den Umständen entsprechend entspannt abspulen konnte. Nachdem wir uns während der ersten Rennhälfte eher passiv verhielten, versuchten wir mit einem sehr entschlossenen Angriff ca. 15 Runden vor Schluss unsere Finalqualifikation ins trockene zu bringen. Einzig der Belgier Kenny de Ketele, seinerseits bereits Europameister hinter dem Derny im Jahre 2009, vermochte unsere Tempoverschärfung zu verkraften und überholte uns mit seinem Schrittmacher Michel Vaarten noch kurz vor Schluss. Alle anderen Konkurrenten unseres Vorlaufes waren deutlich distanziert. Der Ausgang der Qualifikationsläufe konnte mich nun positiv auf das Finale vom nächsten Tag blicken lassen, vor allem wenn man beachtet, dass amtierende Bahn-Weltmeister wie David Muntaner aus Spanien oder Morgan Kneisky aus Frankreich bereits in den Vorläufen ausschieden. Auch weitere verschiedene Topfahrer und Mitfavoriten mussten bereits am ersten Wettkampftag ihre Medaillenchancen begraben. Nach einer erholsamen Nacht und einer lockeren Trainingseinheit am Vormittag waren mein Schrittmacher Röbi Buchmann und ich dann gerüstet für das grosse Finale gestern Abend. Da ich im Qualifikationslauf am Freitag bei praktisch windstillen Bedingungen eine sehr grosse Übersetzung montiert hatte, fingen wir auf Grund des kräftig aufwehenden Windes am Finaltag doch etwas an zu zweifeln, was die Gangwahl betraf. Da die zu absolvierende Distanz im Finale mit 40km nun doppelt so lange war wie am Tag zuvor, entschieden wir uns schlussendlich für einen kleineren Gang. Diese Entscheidung bereute ich dann leider schon nach einigen Runden, denn im Finale wurde trotz der nicht optimalen Windverhältnissen vom ersten Meter an ein horrendes Tempo gefahren. Von Position acht aus startend, konnten wir uns schon nach einigen Runden auf der eigentlich fast optimalen dritten Position, direkt hinter Topfavorit Kenny de Ketele aus Belgien, einreihen. Sehr konzentriert versuchte ich dem Hinterrad meines Schrittmachers so nahe und kräfteschonend wie möglich zu folgen. Als ich das erste Mal auf die Rundentafel schielte hatten wir schon fast die Hälfte der zu absolvierenden 120 Runden hinter uns gelassen. Leider ging es von diesem Zeitpunkt an mit meinem Wohlbefinden massiv bergab. Infolge des hohen Tempos und des für meine Verhältnisse eher kleinen Ganges, war ich dann doch mit der Trittfrequenz etwas am Limit und fing wahrscheinlich aus diesem Grunde an, mich mehr und mehr zu verkrampfen. Die Folge waren Krämpfe in meinem linken Oberschenkel, was mir in dieser Situation des Rennens nicht gerade sehr hilfreich waren. Somit mussten wir das angeschlagene Tempo reduzieren und fielen leider aus dem Kampf um die Medaillen, was für mich moralisch ein bisschen wie ein Genickbruch war. Die noch zu verbleibenden Runden waren anschliessend eine höllische Qual. Doch durch das gefühlvolle abwägen meiner nicht mehr all zu vielen verbleibenden Körner durch meinen Schrittmachers Röbi, konnte wir uns dann zum Schluss doch noch den sechsten Rang sichern. Im ersten Moment war ich ganz klar etwas enttäuscht mit meiner gezeigten Leistung, denn ich hatte mir selbst hohe Ziele gesetzt. Und auch die Gangwahl kann im Nachhinein natürlich immer hinterfragt werden, vor allem weil das Rennen mit einem Stundenmittel von 65km/h absolviert wurde. Dennoch kann ich, nachdem ich das Geschehene etwas verarbeiten konnte, mit meinem Rennen in diesem hochkarätig besetzten Rennen sehr zufrieden sein und sehe das Abenteuer Derny-EM als eine positive Erfahrung an. Vielen Dank meinem Schrittmacher und Betreuer, Röbi Buchmann, für die tollen Tage. Nun versuche ich mich, sofern das Wetter mitspielt und die Schweizermeisterschaften (Einzelverfolgung und 1000m-Zeitfahren) morgen Abend in Zürich-Oerlikon stattfinden, so gut es geht von den Strapazen zu erholen. Kommentare sind geschlossen.
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Oktober 2018
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